Schola Cantorum Wettingensis - 75 Jahre Chorgesang 

Die Geschichte der Schola von den Anfängen bis zum Jubiläumsjahr 2024

 

Oskar Spörri, Klosterkirche Wettingen - Quelle: Schola-Archiv

Ära Spörri (1949 -1971)

Die Wurzeln der Schola Cantorum Wettingensis sind tief in der Wettinger Geschichte verankert. Nicht nur der Name des Chors ist mit dem Kloster und dessen Musiktraditionen verbunden, auch die Familie des Gründers war seit Jahrhunderten dort ansässig. Oskar Spörri, geboren 1910, war Arzt und leidenschaftlicher Musiker. Im Bestreben, den sonntäglichen Gottesdienst in der Klosterkirche Maria Stella mitzugestalten, bildete er eine Gruppe mit Studenten, die Choralmessen und vierstimmige Werke einstudierten. Setze sich diese zunächst aus Männern zusammen, kamen über die Jahre immer mehr Frauen hinzu. Der Chor machte es zur Tradition, an kirchlichen Hochfesten während der Messe zu musizieren und singen – und nahm damit die ausgeprägte Musikkultur der einst im Kloster lebenden Zisterziensermönche wieder auf. 

Die Gesangproben fanden in der ersten Zeit im Saal des ehemaligen Restaurants Bahnhof statt, später im Seminar des Klosters. An Weihnachten und Ostern wurden Orchestermessen aufgeführt. Manchmal sang Spörris Frau dabei als Solistin die Alt-Partie, spielte aber meistens die erste Geige im kleinen Orchester, zusammen mit Laienmusikern. Oft lud der Dirigent, selbst ein begnadeter Tenor, die Sänger an Sonntagen in sein Haus an der Etzelstrasse ein, um begleitet vom Hausorchester zu singen. «Höchstes Ziel ist die sängerisch gepflegteste Aufführung der einstudierten Werke in der Weise, dass unsere Freude die Freude aller werde, der schlicht und einfach Hinhorchenden wie der Verwöhnten und hohe Ansprüche stellenden.» Sein Credo zieht sich seither durch die Geschichte des Chors. 

In Anlehnung an jene Zeit gab sich der Chor 1949 denn auch den Namen Schola Cantorum Maris Stella. Dieser Akt gilt als die Geburts­stunde der heutigen Schola.

1954, bei der Feier zum 100. Todestag von Pater Alberich Zwyssig sang die Schola beim Festgottesdienst, an dem das Zwyssig-Denkmal von Bildhauer Eduard Spörri enthüllt wurde. Er war der Cousin von Oskar Spörri, seine Zeichnungen zierten später oftmals die Konzertprogramme der Schola.

Als 1955 ein zweiter Musiklehrer ans Seminar Wettingen gewählt wurde, der nebst der Schulung der Seminaristen auch die musikalische Gestaltung der Gottesdienste in der Klosterkirche verantwortete, versuchte man zunächst die Schola Cantorum in den Seminar-Kirchenchor einzugliedern und unter die Leitung des Musiklehrers zu stellen. Das Projekt misslang aber. Nach einem Unterbruch von einem Jahr erhielt der Chor eine Einladung aus Zurzach für ein Konzert im St. Verenamünster. Oskar Spörri rief seine Sängerinnen und Sänger zusammen und feierte mit einem Konzert am Palmsonntag 1956 einen grossen Erfolg. Die Schola Cantorum war wiederauferstanden und wurde zum konfessionell und politisch neutraler Chor. Als neuer Konzertraum diente die neu eingeweihte Antoniuskirche.

Singender Engel
Tuschzeichnung Eduard Spörri

Schwebender Engel übergibt den Schweizerpsalm
Alberich Zwyssig-Denkmal (Eduard Spörri), Kloster Wettingen - Foto: Tanja Funk

Konzertprogramm Palssonntag 1956
Erstes öffentliches Konzert der Schola Cantorum Maris Stella

Der Bann war gebrochen und ein Konzert folgte dem anderen, so u.a. Aufführungen in St. Blasien (1956), im Saal des Klosters Einsiedeln (1957), in der Stadtpfarrkirche Waldshut (1957), Klosterkirche Muri (1958 Klosterkirchen St. Urban (1962), Klosterkirche Rheinau (1964) sowie in Süddeutschen Barockkirchen in Weingarten, Birnau, und Steinhausen.

Ein besonderer Auftritt war im Januar 1957 das Konzert im Saal des Klosters Einsiedeln. Im dortigen Kollegium hatte Oskar Spörri die Mittelschule besucht und im Studentenchor mitgesungen. Dort wurde sein grosses Talent entdeckt, und schon damals träumte er von einer musikalischen Laufbahn. Jetzt konnte er seinen ehemaligen Lehrern seinen Chor vorstellen. Am Konzert waren der Abt, der gesamte Konvent und die Studenten anwesend.

Ein Höhepunkt war 1959 die Reise nach Salzburg mit einem erfolgreichen Konzert in der Kollegienkirche, zusammen mit der Camerata Academica Salzburg im Rahmen der Salzburger Hochschulwochen. Später begleitete die Camerata Salzburg die Schola bei Konzerten in der Antoniuskirche.

Die Schola war gelegentlich auch am Radio zu hören. 1962 spielte sie in der Antoniuskirche sogar eine Schallplatte mit schönen und selten gehörten Weihnachtsliedern und dem «Ave-Verum» von Mozart ein.

Viele Jahre stand Mozart im Mittelpunkt der Aufführungen, mit der Zeit wandte sich Oskar Spörri aber auch anderen Komponisten zu. Ein Ziel war es, alle grossen Messen von Joseph Hayden aufzuführen. Dazu benötigte er ein grösseres Orchester und fand es in der Orchestergesellschaft Zürich. Gleichzeitig bemühte sich Spörri aber auch um die mustergültige Aufführung von a cappella Werken. In den Bruckner Motetten sah er die höchste Bewährungsprobe seines Chors. Und jedes seiner Konzerte beschloss er mit dem «Ave verum» von Mozart.

 

Die Konzerte waren zwar stehts gut besucht, zahlten sich finanziell aber nicht aus. Spörri trug lange die Kosten selbst und erst anfangs der 1960er-Jahre wurde auf Anregung von Chormitgliedern ein Beitrag eingezogen.

Oskar Spörri hatte noch grosse Pläne, aber es kam anders. Der Tod seiner Gattin 1963 war für ihn ein grosser Schock. Nur zwei Jahre später starb er 1965 im Alter von 55 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. An seinem Grab nahm die Schola unter der Leitung von Johannes Fuchs mit Motetten von Bruckner und Mozarts «Ave Verum» Abschied von ihrem Gründer. Es war ein schwerer Schlag für den Chor.

Johannes Fuchs, Domkapellmeister in St. Gallen und langjähriger Freund der Familie Spörri, stellte die Schola unter einen neuen Leiter, die Wahl fiel auf den Sohn des Verstorbenen, Hubert Spörri. In eindrücklicher Erinnerung unter seiner Leitung bleibt das Gedenkkonzert zu Ehren des Gründers der Schola mit dem «Requiem» von Mozart unter erstmaliger Mitwirkung des Stadtorchesters Winterthur.

Weihnachtslieder und Ave Verum,
Schallplattenaufnahme 1962 in der Kirche St. Anton


Ära Alois Koch (1971-1991)

1971 wurde der Chor neu organisiert und der junge Dirigent und Organist Alois Koch übernahm das musikalische Zepter. Unter seiner Leitung erreichte die Schola ein sehr hohes musikalisches Niveau. Sie wurde nun als Verein mit Statuten konstituiert und gab sich auch einen neuen Namen: Schola Cantorum Wettingensis.

Koch legte grossen Wert auf die gründliche musikalische Auseinandersetzung mit den Werken, auf die Schulung kultivierten Gesanges und auf die Zusammenarbeit mit namhaften Orchestern und Solisten, u.a. mit dem Stadtorchester Winterthur und dem Collegium Musicum Luzern. Als erstes Konzert unter seiner Leitung wurde «Die Schöpfung» von J. Hayden u.a. in der Kirch St. Anton aufgeführt. Es folgten Werke von den grossen Komponisten Dvorák, Honegger, Beethoven, Bruckner, Verdi, Puccini, Kodaly, List, Schubert, Huber und viele mehr. Übrigens: Paul Huber komponierte 1979 eigens für die Schola sein «Magnifikat» für Soli, Chor, Orgel und Orchester. Es wurde 1980 in der Stadtkirche Baden uraufgeführt.

Der Chor erlebte wundervolle Zeiten, aber auch schwierige Momente, wenn die finanziellen Mittel die Konzertkosten nicht zu decken vermochten. Sponsoren gab es nur wenige oder gar keine, und einmal halfen sogar die Sängerinnen und Sänger, die Schulden zu tilgen. Mit den Jahren wuchs das Publikum aber immer mehr an, was zu einer Verbesserung der finanziellen Situation führte.

Alois Koch

Ab 1978 begann Koch, mit der Schola die kirchenmusikalischen Werke von Mozart einzustudieren. Jeweils im Herbst fanden Mozart-Konzerte statt und im Sommer Werke anderer Komponisten. Bevorzugte Aufführungsorte waren die Kirche St. Anton, Stadtkirche Baden, Klosterkirche Königsfelden und ab 1977 bis zur Renovation 1988 die Klosterkirche Wettingen – letztere war auch eine Reminiszenz an die Anfänge der Schola. Konzerte fanden zudem in der Stadtkirche Stans, im Kunsthaus Luzern, in St. Jakob Zürich, Stadthaussaal Winterthur, Wallfahrtskirche Kirchberg SG, Klosterkirche Rheinau, Kurtheater Baden statt und 1988 und 1989 im Stadtcasino Basel mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Basel unter der Leitung von Nello Santi.

Die vielen erfolgreichen Auftritte mit dem bekannten Stadtorchester Winterthur waren mit ein Grund für die gut besuchten Konzerte der Schola. Ebenfalls von grosser Bedeutung war die Zusammenarbeit mit Chor und Orchester des Collegium Musicums Luzern. Ab 1986 konnte die Schola am Patrozinium im Rahmen der Mozart-Tagen oder zur Eröffnung des Lucerne Festivals während vieler Jahre den Gottesdienst in der Jesuitenkirche Luzern begleiten. Im Editorial der Schola-Zeitung vom Juli 2014 beschreibt der damalige Präsident Sigi Loretz diese Auftritte folgendermassen:

«Das waren Tage, die einem in Erinnerung bleiben: Am Kirchweihfest der Jesuitenkirche Luzern eine grosse Messe singen, in einer Kirche, die zu den bedeutendsten und schönsten barocken Bauwerken der Schweiz gehört… Dies jeweils im Rahmen des Lucerne Festival für ein erwartungsvolles und festlich gestimmtes Publikum, das die Kirche bis zum letzten Stehplatz füllte.»

Die Schola und das Collegium Musicum Luzern verbinden auch gemeinsame Konzertreisen mit Alois Koch: 1987 nach Nürnberg mit Schumanns «Missa Sacra», in der die berühmte Opernsängerin Edith Mathis die Sopran-Partie sang, 1991 nach Salzburg mit Auftritten in der Stiftskirche St. Peter und in der Franziskanerkirche und 2003, in der Ära Konstantin Keiser, mit der «Messe solennelle» von Hector Berlioz und dem «Te Deum» von Anton Bruckner nach Berlin in die Philharmonie, nach Montreux in die Salle Strawinski und ins KKL Luzern.

1991 ging die 20-jährige Ära Koch unerwartet zu Ende, als dieser zum Domkapellmeister an der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin berufen wurde und die Leitung der Schola abgab.


Ära Konstantin Keiser (1991-2010)

Nachfolger von Alois Koch wird sein ehemaliger Schüler Konstantin Keiser. Mit ihm holte die Schola nochmals neuen Schwung und gewann an Dynamik und Frische. Virtuos auf dem Klavier, mit grosser Leidenschaft und einem inneren Feuer sowie nicht zuletzt mit einer bildreichen Sprache und viel Humor, vermochte er die Schola immer wieder zu musikalischen Höchstleistungen anzuspornen. Der Chor wurde nochmals grösser und dank effizienten Proben, gut besuchten Konzerten und der Grosszügigkeit von Sponsoren vermochte die Schola vermehrt zweimal pro Jahr namhafte Werke mit Orchestern in Sinfoniestärke aufzuführen. Einen wichtigen Schwerpunkt bildeten namhafte Werke aus der Romantik, aber Konstantin Keiser zeigte sich auch offen für modernere Werke und weniger bekannte Kompositionen.

Beginnend mit dem «Messias» von G.F. Händel 1992 folgten u.a.  die «Messa di Gloria» von Puccini, die späten Haydn-Messen, «Elias» und «Paulus» von Mendelssohn, «Die Legende der Heiligen Elisabeth» von Franz Liszt, «Stabat Mater» von Antonín Dvorák, die «Missa in e-Moll» von Heinrich von Herzogenberg, und viele mehr

1999 feierte die Schola ihr 50-jähriges Bestehen, zuerst mit einem Konzert in der Basilica San Mercuriale Forli, Italien. Begleitet vom Kammerensemble Luzern sang der Chor die «Grosse Credo-Messe» von Mozart. 
Im Juni folgten erfolgreiche Aufführungen von «Die Jahreszeiten» von J. Haydn in der Stadtkirche Baden und in der Tonhalle Zürich sowie im Dezember als Abschluss des Jubiläumsjahrs der «Messias» in der Mozart-Fassung. Zur Freude der Schola strahlte Radio DRS im Jubiläumsjahr die Aufnahme des Herbstkonzertes 1998 «Hymnus Corpus Christi Mysticum» von Paul Huber aus.

Am Eröffnungskonzert des Lucerne Festival 2002 sang die Schola zusammen mit dem Chor des Collegium Musicum den Brautchor aus «Lohengrin» von Richard Wagner unter der Leitung von Ivan Fischer, begleitet vom Budapest Festival Orchestra. Auch dieses Konzert wurde von Radio DRS ausgestrahlt.

1999 - Tonhalle Zürich, J. Haydn, Die Jahreszeiten

2003 - Trafohalle Baden, J. Haydn, Die Schöpfung

2003 erfolgte die oben erwähnten Konzertreisen nach Berlin, Montreux und ins KKL Luzern in Zusammenarbeit mit dem Chor des Collegium Musicum Luzern, dem Mozart Ensemble Luzern und den Berliner Symphonikern unter der Leitung von Alois Koch.

Durch ihre vielseitige und erfolgreiche Konzerttätigkeit wurde die Schola weit über ihre Heimatregion hinaus bekannt und erhielt 2006 den Anerkennungspreis der Aargauischen Stiftung für Gesang und Musik für «ihre wunderbare Gesangskultur, die spannenden und abwechslungsreichen Programme und den Mut zu regelmässigen Gastspielen».

Die letzten Konzerte unter der Leitung von Konstantin Keiser waren gemeinsam mit dem Kammerchor Solothurn und dem Musikkollegium. Mit der «Messe e-Moll» von Heinrich von Herzogenberg, «Nänie» von Johannes Brahms und «Die Glocken des Strassburger Münsters» von Franz Liszt endete die Ära Keiser.


Ära Roland Fitzlaff (2010-2018)

Nach Konstantin Keiser übernahm Roland Fitzlaff die musikalische Leitung der Schola. Den Auftakt machte er an der Liebegg-Serenade, ein Projekt das Fitzlaff noch in der Bewerbungsphase kurzfristig übernommen hatte und mit Bravour zur Aufführung brachte. Der Wahl zum musikalischen Leiter der Schola stand nichts mehr im Wege.

Grossen Wert legte Roland Fitzlaff auf die richtige Singtechnik. Bei der Erarbeitung von neuen Werken achtete er vom ersten Takt an auf Präzision, Klang, Aussprache und Dynamik. Die Proben waren effizient und lehrreich. Eine Innovation, die er in der Schola einführte, war die Stimmbildung. Gemeinsam mit seiner Frau, Ruth Achermann, wurden wir bildlich und akustisch in das geheime Leben der Stimmbänder eingeführt. Ebenfalls angeregt hat er die Durchführung von öffentlichen Singtagen sowie die Öffnung für Projektsänger/ -innen. 

2012 - Klosterkirche Köngisfelden, F. Medelssohn, Elias - Foto: Florian Frei

Auf Grund von Mindereinnahmen bei den Aufführungen von Paulus 2015 geriet die Schola in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten und Konzerte mit grösser Besetzung waren vorerst nicht mehr möglich. Die köstliche «Petite Messe solennelle» für Klavier und Harmonium von Gioachino Rossini war da gerade richtig und wurde mit Erfolg in der Klosterkirche Wettingen aufgeführt. Ein kleines Detail: Am Harmonium spielte Stefan Müller.

Unvergesslich bleiben auch die Aufführungen von «Der Tod Jesu» von Georg Philipp Telemann in Zusammenarbeit mit der Telemann-Gesellschaft Schweiz (2017). Neben der Stadtkirche Baden und der Kirche St. Sebastian, Wettingen gelangte das Werk auch in der Predigerkirche Zürich, der Klosterkirche Namen Jesu, Solothurn und der Martinskirche in Basel zur Aufführung.

2017 - Predigerkirche Zürich, G.Ph. Telemann, Der Tod Jesu - Foto: Benno Hunziker

Nach der Liebegg-Serenade folgten viele grossartige Werke wie die «Messa di Gloria» von Giacomo Puccini, das «Requiem» von Wolfgang Amadeus Mozart, die «Messe in As-Dur» von Franz Schubert, «Elias» und «Paulus» von Felix Mendelssohn.

Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit Tanz & Kunst Königsfelden bei den hochgelobten Darbietungen von «babel torre viva» zusammen mit dem a cappella-Chor Vocappella (2013). An 23 Abenden pilgerte der Chor singend zum Turm von Babel inmitten von professionellen Tänzerinnen und Tänzern und unterstützt von feurigen spanischen Rhythmen.

2013 - Kosterkirche Königsfelden, Babel Torre Viva, Tanz & Kunst Königsfelden.

2018 standen zweimal Werke des Schweizer Komponisten Paul Huber auf dem Programm: Im Mai bei einem gemeinsamen Konzert mit dem niederländischem Chor WGK Vivace (Missa vocalis und andere) und im Juni die «Missa brevis in C» zu Ehren des 100. Geburtstagstags von Paul Huber nach Anfrage durch die Paul Huber Gesellschaft. 

Geplant war 2019 eine Konzertreise nach Holland anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Schola mit einem Gastauftritt bei WGK Vivace. Die Reise wurde aber abgesagt. Aus gesundheitlichen Gründen musste Roland Fitzlaff nach achtjähriger Tätigkeit bei der Schola Mitte Juni 2018 die Chorleitung unerwartet und kurzfristig abgeben.


Die Zeit mit Stefan Müller (seit 2018)

Es war für die Schola ein grosses Glück, dass Stefan Müller, der beim Herbstkonzert 2018 bereits für die Klavierbegleitung verpflichtet war, unmittelbar die Probenarbeit mit uns weiterführte und dann beim Konzert in Fislisbach mit Werken von Moritz Hauptmann, Felix Mendelssohn und Richard Wagner am Dirigentenpult der Schola ein erstes Ausrufezeichen setzen konnte.

Es folgen die erfolgreichen Jubiläumskonzerte im Juni 2019 in Zusammenarbeit mit der Sinfonia Baden. Zur Aufführung gelangten Werke von J.S. Bach, A. Dvořák und G.F. Händel anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Schola. Mit einem innovativen und unkonventionellen Programm spannte die Schola beim Herbstkonzert 2019 den Bogen von der mittelalterlichen Musik von G. de Machaut zur Musik der 68er-Jahre. Auch die Wiederaufnahme der Konzerttätigkeit nach dem Corona-Lockdown mit der Serenade «Your shining eyes» im Oktober 2021 war ein voller Erfolg und danach konnte auch die bereits zweimal verschobene Schöpfung von J. Haydn zur Aufführung gelangen.

Stefan Müller

Bei den bisherigen Konzerten zeigte sich die Kreativität und Flexibilität von Stefan Müller was den Einsatz des Begleitorchesters anbelangt. Regelmässige Konzerte mit grösseren Werken sind heutzutage in der Originalbesetzung kaum finanzierbar. Stefan Müller hat dafür eine innovative Lösung gefunden, die auch musikalisch überzeugt.  Er erläutert:

«Viele der grossen Werke wurden für Chöre mit über 200 Sängern und grossen Orchestern komponiert, doch die Schola transkribiert sie für kleinere Ensembles. Sie orientiert sich dabei an die im 19. Jahrhundert gängige Praxis, grosse Werke in einer Bearbeitung für Klavier vierhändig oder zwei Tasteninstrumente aufzuführen. So kamen bei den Schola-Konzerten bereits ein Hammerflügel von 1819, ein romantischer Flügel von 1870, ein Claviorganum, ein Fender Rhodes und ein Harmonium zum Einsatz, zusammen mit Streichern, Bläsern oder Gitarristen. Manche Stücke werden einen Ton abwärts transponiert, wodurch die Musik entspannter klingt und auch höchste Passagen mühelos erscheinen. Das Klangbild ist transparent, farbig und kammermusikalisch und ermöglicht ein lebendiges Musizieren.»

So richtig zum Tragen kam dieses Konzept erstmals bei den Aufführungen der «Schöpfung» im Frühjahr 2022. Vom begeisterten Publikum wurde insbesondere die ausdrucksstarke, transparente Darbietung im Zusammenspiel von Chor, Solisten und Musikern gelobt.

Ebenso erfolgreich waren die Konzerte «Ouvertüren Bach-Kantaten» (2022) und «An die Freude» u.a. mit der «Krönungsmesse» von Mozart und dem grossartigen Finale «Ode an die Freude» aus der 9. Sinfonie von Beethoven (2023), dies jeweils mit verschiedenen Orchesterbesetzungen. Ins 75. Jubiläumsjahr stieg die Chor mit «Aus der blauen Ferne» u.a. mit der jugendlichen «Messe in G» von Franz Schubert sowie mit tiefreligiösen Motetten von Anton Bruckner (2024) ein.  

Stefan Müller beweist sein grosses Können und seine Musikalität nicht nur durch das gefühlsvolle, souveräne Dirigat bei den Konzerten, sondern auch beim Einstudieren der anspruchsvollen Werke. In den Proben herrscht stets eine gute Stimmung, die Sängerinnen und Sänger schätzen Müllers leidenschaftlich und oftmals humorvoll vorgetragenen Hintergrundinfos zu den Komponisten und ihren Werken. 

Als äusserst wertvoll erweist sich auch das grosse Beziehungsnetz von Stefan Müller in der Region. So konnte die Schola 2019 bei der musikalischen Gestaltung des Karfreitagsgottesdienstes in der Kath. Kirche Döttingen mitwirken und die «Schöpfung» im November 2023 nochmals als Gäste gemeinsam mit dem Kirchenchor St. Josef in Horgen aufführen.

Entgegen dem Trend ist der Chor in den letzten Jahren wieder stark gewachsen. Aktuell zählt die Schola rund 80 aktive Sängerinnen und Sänger aus 35 Gemeinden in der Region.
Mit dem bevorstehenden Oratorium «Die Jahreszeiten» von Joseph Haydn zum 75-jährigen Jubiläum knüpft die Schola an das 50-jährige Jubiläum 1999 an und setzt zugleich einen weiteren Höhepunkt in ihrer langen und erfolgreichen Geschichte.

2023 - An die Freude, Stadtkirche Baden - Foto: Markus Suter

Text: Anouk Holthuizen, Emil Niederberger            Fotos: Schola Archiv

2023 - An die Freude, Kirche St. Anton, Wettingen - Foto: Markus Suter


Quellen:

  • Otto Guntern, Erinnerungen an den «Spörri-Chor» und an die Schola Cantorum Maris Stella, sowie an den Gründer und musikalischen Leiter Dr. med. Oskar Spörri; Archiv Schola Cantorum Wettingensis.
  • Natalie Strässle, 50 Jahre Schola Cantorum Wettingensis, Chor-Zeitung Nr. 2/März 1999; Archiv Schola Cantorum Wettingensis.
  • Schola Konzertchronik 1971-1924.
  • Diverse Artikel aus den Schola-Zeitungen und weiteren Unterlagen aus dem Archiv der Schola Cantorum Wettingensis.